Unter dem Thema „Vom Digitalen Zwilling zur Information Supply Chain“ versammelten sich auf Einladung der CIMSOURCE GmbH rund 30 Führungs- und Fachkräfte aus den Bereichen Werkzeugherstellung und -handel, Fertigung, Arbeitsvorbereitung und NC-Planung.
Dr. Marczinski moderierte den Workshop „Digitalisierung der Werkzeugindustrie“
Dr. Götz Marczinski ging in seinem Eröffnungsvortrag zunächst auf die 3 Aspekte der digitalen Transformation – die offensichtliche (Gesellschaft), die technische (Technologie) und die geschäftliche (Geschäftsmodelle) – ein, in der die Konsumenten wiederum zu Produzenten von intelligent vernetzten Plattformen werden. Die neuen Geschäftsmodelle sieht er im Datenhandel („If it’s for free, you are the product“) und der Vernetzung bzw. Zusammenarbeit von Unternehmen durch Lizenzmodelle und Schnittstellen. Er zeigt aber auch die Grenzen der Digitalisierung auf – sie kann die Realität nicht ersetzen, sondern begleitet und optimiert diese. Diese digitalen Zwillinge und der Austausch dieser zwischen den Systemen seien indes aber die Bedingung für „intelligente“ Maschinen und Prozesse. Genau diesen aus verschiedensten Gründen schwierigen Datenaustausch hat sich die Firma CIMSOURCE GmbH zur Kernkompetenz gemacht. Die kommenden Vorträge sollten die Gründe der Komplexität des Datenaustauschs und verschiedene Lösungsansätze darlegen.
Den Beleg für zumindest die offensichtlich gesellschaftliche und die technisch-digitale Transformation sollte Herr Nurcahya, ZF Group Friedrichshafen, liefern. Da er nicht persönlich vor Ort sein konnte, stellte er kurzerhand die Anforderungen an die Datenbereitstellung per Skype-Konferenz vor. In Friedrichshafen sind momentan ein ERP-System (Enterprise Resource Planning), ein PDM-System (Product Data Management) und ein TM-System (Tool Management) im Einsatz. Damit diese miteinander kommunizieren können, sind saubere Werkzeugdaten die Grundvoraussetzung. Jedes dieser Systeme hat darüber hinaus aber auch unterschiedliche Anforderungen an die Werkzeugdaten. Der bisherige Weg der Datenbeschaffung – Kommunikation mit den Herstellern per Mail – war aufgrund dieser Komplexität nicht zielführend, weshalb das Produkt ToolLink der CIMSOURCE GmbH nun eingesetzt wird, wodurch die Kommunikation deutlich vereinfacht werden konnte.
Die CAM-Perspektive auf die Datenbereitstellung sollte von Herrn Alt, Geschäftsführer der West GmbH, präsentiert werden. Tatsächlich schilderte er aber, wie das Thema Datenbereitstellung bei Einführung neuer Systeme (oder der Pflege bestehender Systeme) vernachlässigt wird. Der Anwender glaube, diese nicht zu benötigen, während der CAM-Anbieter hofft, nicht danach gefragt zu werden und allenfalls an den Hersteller der Werkzeuge verweist. Diese bieten die (Katalog-)Daten ihrer Werkzeuge tatsächlich meist zum Download auf ihrer Website an, allerdings zumeist in „Hausnormen“, die nicht kompatibel mit den Systemen der CAM-Hersteller sind. Außerdem seien die Hersteller zumeist nicht davon überzeugt, dass die Investition in Datenbereitstellung lukrativ sei. Als Ergebnis dieser Vernachlässigung, so Herr Alt, würden die Systemeinführungen gebremst und gar das Vertrauen des Kunden in die eingeführten Systeme untergraben. Neben dem menschlichen sieht Herr Alt allerdings noch ein systemisches Problem, das XY-Problem. Die Daten von X verschiedenen Herstellern in Y unterschiedliche Systeme zu importieren, resultiert in X mal Y Schnittstellen. Die Firma CIMSOURCE schaltet sich dazwischen, übersetzt die Daten der Hersteller in das StOB-Format (Standard Open Base, aus dieser ist die DIN4000 entstanden und kann außerdem auch die ISO13399 abbilden) und übersetzt nun weiter in die Systemformate. „Auch das ist harte Arbeit!“ so Herr Alt, „aber X mal Y Schnittstellen so zu pflegen, dass sie dauerhaft funktionieren, ist fast unmöglich.“ Warum sich der Aufwand aber lohnt, liegt für ihn auf der Hand: „Ich will, dass es in der Produktion langweilig ist! Denn dort, wo Langeweile herrscht, passiert nichts Unvorhergesehenes.“
Dr. Dirk Kammermeier, Leiter Produktentwicklung der FRAISA SA, stellte nun den Lösungsansatz seines Unternehmens vor, den „Digital Companion“. Nach seiner Erfahrung seien die Kundenanforderungen in den letzten Jahren von den typischen Hardwareanforderungen (Qualität, Performance, Verfügbarkeit) um die Softwareanforderungen (exakte Applikationsdaten, Werkzeugdaten und geprüfte Bearbeitungsstrategien) erweitert worden. „Der Kunde muss sich auf diese Daten verlassen können! Sie würden die Einparkhilfe Ihres Autos auch nicht verwenden, wenn diese ständig Crashs verursachen würde.“ Um diesen Anforderungen entsprechen zu können, wurde bei FRAISA ein SalesSupport-Server der CIMSOURCE GmbH eingeführt. FRAISA tut aber auch Werkzeugteile zukaufen und muss – wie sonst die Kunden – seine Anforderungen an die Hersteller kommunizieren. Deshalb wurde ebenfalls ToolLink eingeführt. Allgemein sieht Herr Kammermeier die Hersteller in der Pflicht, von der reinen Hardwarelieferung auf einen Zwischenweg aus Hardware und Dienstleistung umzuschwenken. Die Publikumsfrage, wie diese Datenpflege denn bewerkstelligt werden könne, beantwortete Herr Kammermeier wie folgt: „Disziplin und harte Arbeit. Auf Software-Seite ist genau so viel Arbeit nötig wie auf der Hardware-Seite.“
Dr. Dirk Kammermeier „Auf Software-Seite ist genau so viel Arbeit nötig wie auf der Hardware-Seite.“
Im folgenden Vortrag „Direktkommunikation durch Standards“ legte Boris Kaiser, Geschäftsführer der CIMSOURCE GmbH, nochmals das XY-Problem dar, welches seiner Meinung nach nur durch Standards gelöst werden könne. Ohne Standards könne niemals die notwendige Datenqualität von Schnittstellen erreicht werden. Mit den Produkten ToolsUnited, ToolLink und SalesSupport-Server werde die Datenqualität nochmals gesteigert, aber auch hier sieht er Luft nach oben. Deshalb engagiert er sich aktuell unter anderem für die Standardisierung von Schnittdaten, die Vereinheitlichung von DIN und ISO, die Erfassung der Softwaresystem-Anforderungen und ein Online-Tool, mit dem Werkzeugdaten geprüft werden können.
Diesen Ausblick griff Claudio Ghielmetti von der neu geschaffenen SECO Consultancy auf. Bei der rasanten Entwicklung müsse stets darauf geachtet werden, dass die Lerngeschwindigkeit größer als die Veränderungsgeschwindigkeit bleibe. Alle Lieferanten sollten sich auf dasselbe Werkzeugerfassungssystem einigen, damit die Anwendung übergreifend funktioniere. Das seiner Ansicht nach passende System lieferte er gleich mit, das sogenannte IDEM. Werkzeuge erhalten einen Chip, auf welchen Daten geschrieben und wieder ausgelesen werden könnten. Während bei den aktuell geläufigen Erfassungssystemen (z.B. QR-Code) das Werkzeug eine eindeutige Nummer hat, welches die Daten einer Datenbank zuordnet, seien die Daten bei IDEM direkt im Werkzeug selbst hinterlegt und könnten auch verändert werden.
Zum Abschluss sprang Dr. Marczinski für den kurzfristig abwesenden Mario Lodomez, CIM Aachen GmbH, ein und gab einen Überblick über IoT-Plattformen („Internet of Things“). Hier ging er insbesondere auf die jüngste Entwicklung der KI (Künstliche Intelligenz) ein. Die KI der ersten Stufe basiere noch auf dem systematischen Beibringen von Algorithmen, also war ein „Lernen“ nur im Sinne von Auswendiglernen gegeben. Die nächste Stufe ist bereits auf dem Markt, Systeme wie Googles AlphaGo, Alexa und DeepL Pro lernen dadurch, dass sie angewandt werden. Sie lernen aus Fehlern und arbeiten mit Mustererkennung. Im nächsten Abschnitt erklärte Dr. Marczinski, dass es bei IoT-Plattformen um die intelligente Vernetzung von Objekten via Internet und die Analyse der auf diese Weise gesammelten Daten gehe. Dafür müssten sie folgende Eigenschaften aufweisen: sie müssen Schnittstellen zu anderen Systemen haben (Integration), Anwendungen z.B. zur Visualisierung und Auswertung beinhalten, mit der „realen Welt“ verbunden sein (Konnektivität) und die Daten in einer Datenbank in der Cloud sammeln. Heutige Plattformen hätten dabei den Schwerpunkt in der Verkaufsförderung und Datenbereitstellung, während ihnen die Verbindung zur realen Welt fehle, während Smart Devices nur die Konnektivität böten. Das Fazit des Vortrags war, dass die IoT-Plattform den Digitalen Zwilling (das digitale Pendant eines realen Produkts) und seinen „Digitalen Schatten“ (die Daten, die zu diesem Produkt gesammelt wurden) in Beziehung setze.
Die Entwicklung von Standards, die Erfassung der verschiedenen Systemanforderungen, die Erstellung und Pflege der Werkzeugdatensätze beim Hersteller und die Erstellung der Werkzeugdatenbanken bei den Konsumenten – so die Quintessenz des Workshops – all dies ist harte Arbeit und bedarf einer hohen Bereitschaft an Zusammenarbeit. Aber, so lässt sich zusammenfassend festhalten: Wer diesen Schritt scheut, wird schon in naher Zukunft auf dem Markt abgehängt werden.
Die vorgesehene Podiumsdiskussion wurde kurzerhand zum Abschluss des Abends mit dem traditionellen Besuch des Brauhauses „Zum Barfüßer“ verbunden, da es sich bei einem frischen Bier und gutbürgerlicher Küche doch am besten Diskutieren lässt.
David Westerbarkey